Grüne Kolumne – Teil 2

In so einer Umgebung möchten wir ein Schwein gern leben sehen
In so einer Umgebung möchten wir ein Schwein gern leben sehen

Nachhaltigkeit wird in Lüneburg nicht nur groß, sondern gefühlt in Großbuchstaben und mit drei Ausrufezeichen geschrieben. Aber wie sehr hat die grüne Impfung unseren Alltag verändert? Leben wir jetzt endlich „gut“? Ein Selbstversuch.

Das Schwein auf dem Foto hat es gut. Über ihm strahlt blau der Himmel, unter ihm ist saftiges Gras, was das Tier vielleicht dazu inspiriert hat, so vorwitzig in die Kamera zu blicken. Ein Mensch braucht nur wenig Einfühlungsvermögen, um sich vorzustellen, dass das Leben in dieser Form für Schweine recht angenehm ist. Dennoch würden viele Tierfreunde wohl behaupten, dass dieses Schwein Glück gehabt hat.

Sie wissen das dank Filmen wie dem 2005 erschienen „Earthlings“ von Shaun Monson, den ich heute vorstellen möchte. Keine Nachhaltigkeitsdebatte führt am Umgang mit unseren „Erdmitbewohnern“, den Tieren, vorbei. Wie viele meiner Bekannten würde ich mich als Tierliebhaberin bezeichnen: Ich schaue mir gern Robbenbabys an und empöre mich über misshandelte Milchkühe.

Letzteres liegt zum Teil daran, dass die Diskussionen um einen ethisch vertretbaren Umgang mit Tieren in den vergangenen Jahren wichtiger geworden sind. Mittlerweile ist die Menschheit so weit, Tierschutz als wesentliche Komponente des Nachhaltigkeitsgedankens zu verstehen. Doch das ist erst ein Anfang. Ich glaube, dass wir nicht oft genug daran erinnert werden können, wie Tiere täglich gequält, gedemütigt und getötet werden. „Earthlings“ zeigt ungeschönt das ganze Ausmaß des von uns verursachten Elends. Oder drastischer ausgedrückt: die Realität.

Wenn der mit versteckten Kameras gedrehte Film tiefe Einblicke in menschliche Abgründe gewährt – etwa, wie Männer einen lebenden Hund in eine Müllpresse werfen – gruselt mich das mehr als fiktive Horrorgeschichten. Und der Gegensatz vom ängstlich quiekenden Schwein, das ohne Narkose kastriert wird, zum Schwein auf dem Foto, erscheint riesig. Wie kann ein und dieselbe Art gleichzeitig (ziemlich) unbeschwert leben und unerträglich leiden? Die Antwort ist klar: Es ist der Mensch, der aus Tieren Ressourcen macht, ihnen dabei die Freiheit und das gute Leben nimmt.

Kommentiert wird der Film von Joaquin Phoenix. Begleitet von Mobys ruhigem Soundtrack erzählt der Schauspieler in „Earthlings“ unaufgeregt, aber vielleicht deshalb so eindringlich vom alltäglichen Wahn in der Nutz- und Haustierhaltung. Im Wirtschaftsprozess, in dem Körperteile und Leben der Tiere vermarktet werden, spielt Mitgefühl keine Rolle. Der Handel mit Lebewesen ist lukrativ und schafft Arbeitsplätze: Weil sein schneeweißes Fell sich gut verkauft, wird einem Robbenkind dann eben der Kopf eingeschlagen.

„Earthlings“ ist ein schonungsloser Appell an unser Moralempfinden. Da wir in unserer geschickt vermarkteten Welt meist nur die Produkte und selten die Herstellungswege sehen, können wir den Horror in Schlachthäusern leicht verdrängen. Wenn wir Tiere aber als gleichberechtigte Erdbewohner betrachten wollen, müssen wir dieses Verhalten überdenken.

Nachdem ich den Film geguckt habe, ist mir leicht übel. Allerdings gibt „Earthlings“ auch Anlass zur Hoffnung. Denn wenn der Mensch die einzige Art ist, die andere Arten missbraucht, dann ist er vielleicht auch die einzige Art, die sie retten kann. Doch dazu müssen wir uns mit dem Thema auseinandersetzen, mag es noch so unbequem sein. Aus diesem Grund habe ich nicht weggeschaut.

Autor:in: anonym