Drawing by Sovereign Cervine

Furry vs. Pet Play – Was ist der Unterschied? | #Ingwer&Eis

Jeder Mensch hat andere Bilder im Kopf, wenn er das Wort ‚Furry‘ hört. Sie reichen von Animes über Personen in Ganzköperkostümen (Fursuits) bis Sex-Ticks. Doch was macht einen Furry aus? Was unterschiedet ihn vom Pet Player? Und, wie stehen die beiden Gruppen zueinander?
Diese Fragen beantworte ich im Interview mit Cervine. Er ist Furry und Pet Player, stammt aus den USA und hat sich Zeit für ein gemeinsames Interview genommen. Von ihm stammt auch das Art-Work für diesen Artikel.

Wenn Ihr das Wort Furry kennt, seid ihr sehr wahrscheinlich wenigstens ein bisschen nerdy – doch was genau ist ein Furry? Grundsätzlich gesprochen zählt unter den Begriff jeder Mensch, der ein Interesse an anthropomorphen Tierfiguren hat. Dabei ist erstmal egal, wie genau die Vermenschlichung aussieht: Die Charaktere können einfach nur menschliche Intelligenz aufweisen oder auch optisch einem Menschen ähneln.

Hört sich ziemlich breit gefächert an? Ist es auch! Bekannte Beispiele für Furry-Charaktere reichen von Micky Mouse über Chopper aus One Piece bis zu Zoomania und den Teenage Mutant Ninja Turtles.

Das Furry-Fandom

Wer sich für intelligente Tiergestallten, Misch- und Fabelwesen interessiert, erfüllt also die Grundvoraussetzung, um Teil des Furry-Fandom zu werden; in Deutschland existiert die Subkultur bereits seit den 90er-Jahren. Dabei ist die Community in erster Linie online organisiert. Gelegentlich gibt es auch Treffen. Reine Furry-Veranstaltungen sind in Deutschland eine Seltenheit, meistens trifft man sie am Rande anderer Events wie Comic-Conventions, der Frankfurter Buchmesse oder auch der Gamescom.

Bei diesen Veranstaltungen sieht man auch immer wieder Vertreter:innen der Subkultur in sogenannten Fursuits. Diese sind Ganzkörperkostüme, welche häufig eine Sonderanfertigung für den:die Träger:in sind. Günstig sind sie nicht: Wer mit dem Tragen eines Fursuits seiner Fursona (Furry-Persönlichkeit) ein Antlitz geben möchte, legt bereits für einfache Varianten gerne mal 600 Euro auf den Tisch – Grenze nach oben offen.

Die meisten Furries drücken sich aber nicht über das Tragen von Kostümen, sondern über ihre Kunst aus – das ist es, was die Fangemeinde zusammenschweißt. Die Kunst ist letztlich das, was in der Öffentlichkeit (neben den Fursuits) hängen bleibt; das Motto sex sells trifft auf beide Darstellungsformen zu: Was bei vielen im Kopf bleibt sind sexy Häschen, kinky Füchse und Werwölfe mit knackigem Gluteus Maximus. Wer als Künstler:in begabt ist und den Geschmack des Publikums trifft, kann damit sogar richtig Geld verdienen.

Interview mit einem Hirsch

Hier ist leider auch schon mein Wissen ausgeschöpft. Deshalb habe ich mir Hilfe geholt: Cervine. Wir lernten uns dort kennen, wo man die meisten Furries findet: im Netz. Praktischerweise ist er nicht nur Furry, sondern auch Pet Player und damit definitiv der richtig Interviewpartner, um die Grenzen zwischen den beiden Neigungen gut darzustellen.

Hi Cervine, in einer Studie haben ich gelesen, das 44 Prozent aller Furries auch Anime Fans sind. Trifft das Klischee auch auf dich zu? Und falls ja, hast du schon Beastars geschaut?

Früher war ich tatsächlich Anime Fan, zu meinen Lieblings Serien haben Black Butler und Soul Eater gezählt. Beastars habe ich noch nicht gesehen, steht aber auf meiner Watchlist – in der Community wird er etwas gehypt.

Wie lange bist du schon im Furry-Fandom unterwegs? Und woran hast du gemerkt, dass du zur Community gehörst?

Vor circa acht Jahren habe ich angefangen das Internet und Social Media aktiv zu nutzen. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass mich die Furry-Kunst begeistert und ich mich dort irgendwie zugehörig fühle. Für mich ist die Community einfach großartig: Als Künstler kann ich mich hier frei ausdrücken und meine Leidenschaft mit Gleichgesinnten teilen.

Hattest du schon immer einen Furry in dir? Hat es dein Leben verändert, als du für dich festgestellt hast: Ich bin ein Furry.

Wir haben in der Szene eine Menge Witze und Memes darüber, dass Disney Filme wie Robin Hood uns zu Pelzliebhabern machen. Ich persönlich glaube, es war schon immer in mir.

Als es mir bewusst wurde, hat es auf jeden Fall Teile meines Lebens verändert. Weniger direkt, als vielmehr meine Sichtweisen und Einstellungen gegenüber Dingen, die ich mag oder nicht mag. In gewisser Weise hat es mir auch geholfen, meine Sexualität zu entdecken. Man schaut sich außerhalb des normalen Spektrums um – so bin ich auch zum Pet Play gekommen.

Die meisten Furries sind nicht nur Fans des Genres, sondern haben auch eine Fursona (Furry-Persönlichkeit). Unterscheidet sich deine stark von deinem menschlichen Charakter?

Meine Fursona ist mein „Ideales Selbst“. Im Grunde ist er mir sehr ähnlich, nur ist er ein paar Jahre älter und ein Hirsch. Auf seine Art ist er eine erweiterte Version meiner selbst. Er hat mehr Lebenserfahrung, ist selbstbewusster und frecher. Damit ist Sovereign Cervine für mich auch eine Art Ziel, ein Teil von mir, den ich verwirklichen möchte.

Vor ihm hatte ich bereits zwei andere Charaktere, mit denen ich mich nie voll identifizieren konnte. Mein erster war ein Wolf – ein ziemlicher Stereotyp und fast schon ein bisschen langweilig. Danach wurde ich kreativer und entschied mich für eine Hyäne. Sie hatte mehr Charakter, dennoch fehlte die Verbindung zu mir. Dann wurde mir klar: Fleischfresser passen nicht wirklich zu mir, meine Fursona ist definitiv ein Pflanzenfresser.

Warum hast du dich für einen Hirsch entschieden?

Es gab keinen speziellen Grund, warum ich mich für einen Hirsch entschied. Mittlerweile glaube ich, es war Glück. Wenn man einen Charakter entwirft, entwickelt sich die Fursona mit ihm. Nur weil man eine Idee im Kopf hat, bedeutet das nicht, dass sie zu einem passt. Ich hätte auch Pech haben können und weitersuchen müssen.

Ich kann nur jedem Furry-Interessierten raten: Probiert euch aus, probiert eure Ideen aus. Die wenigsten finden auf Anhieb den richtigen Fit, andere haben mehrere. Ihr entscheidet über eurer selbst.

Einige Furries schlüpfen in komplett andere Charaktere, einige wünschen sich in einen anderen Körper. Für ein paar ist es auch eine Form der Spiritualität. Was gibt es dir, Teil des Fandoms zu sein?

Ich sehe Cervine nicht als mein Spirit-Animal – er fühlt sich für mich wie eine Erweiterung meiner selbst an. Auch der Wunsch danach, in einem anderen Körper zu sein, ist nicht so ganz meins. Vielleicht als Teenager, aber da bin ich rausgewachsen. Einige Furries verhalten sich in ihrer Fursona tatsächlich komplett anders, meine Persönlichkeit bleibt aber gleich.

Aktuell schlüpfe ich nur online in die Rolle. Für mich ist er mein künstlerisches Selbst. Wenn ich in der Rolle bin, fühle ich mich ganz. Es ist ein gutes Gefühl, Teil einer Community zu sein, die einen dafür schätzt, wer man ist und wie man sich ausdrückt.

Ich drücke mich hauptsächlich über meine Zeichnungen aus, generell dreht sich ein großer Teil des Fandoms um „digital art“. Zeichnen gehört zu meinem Leben, seit ich einen Stift halten kann. Mittlerweile habe ich sogar einen extra Laptop, nur für meine Grafiken.

Furries und Sex gehören irgendwie zusammen. Ein Teil der Furry-Art ist stark sexualisiert – Dann gibt es noch das ein oder andere Vorurteil, wie ihr so im Bett tickt. Ist da wirklich was dran?

Nun ja, ich werde jetzt nicht lügen; ein Teil der Klischees ist definitiv wahr. Beides gehört seit den Anfängen zusammen. In den sechziger und siebziger Jahren war Furry-Kunst ein Weg, um Zensur zu umgehen. Die Medien zeigen häufig die sexualisierten Aspekte – Sex sells, nehme ich an.

Das gilt auch in der Community. Einige von uns verdienen ihr Geld mit Auftragsarbeiten – das Geld liegt ganz klar in Pornos. Ich bin hauptsächlich in den Netzwerken Fur Affinity und InkBunny unterwegs. Wobei ich Affinity bevorzuge, InkBunny hat weniger Regeln bezüglich pornographischer Inhalte, das erzeugt eine völlig andere Dynamik in der Community.

Da wir beim Thema sind: Wo liegen Unterschiede zwischen Furry und Pet Play?

Eine Menge Furries sind Pet Player und vice versa. Das gilt besonders für Pony Player. Sehr viele von uns haben eine Fursona für beide Rollen, bei mir ist das nicht der Fall. Meine Pet, bzw. Pony Play Persönlichkeit ist Drummer, er ist kink-exclusive.

In den USA sind die beiden Neigungen eng miteinander verwoben. In meinen Unterhaltungen mit deutschen Ponys haben wir festgestellt, dass das in Deutschland eher nicht der Fall ist. Auch wenn Sex hier Teil der Furry-Community ist, sind deutlich weniger Furries auch Pet Player.

Beides kann sehr ähnlich zueinander sein. Der Hauptunterschied ist wohl der Fokus des Spiels: Im Pet Play ist man eher das Tier oder ein Mensch, welcher ein Tier spielt. Es geht um das Tierische. Bei Furries ist es genau umgekehrt. Hier sind wir Tiere, die sich wie Menschen verhalten. Dazu gehören kulturelle Aspekte, wie die Tatsache, dass viele Furries auf zwei Beinen laufen.

Wie bist du zum Pet Play gekommen?

Ich habe Pony Play über Furry-Kunst entdeckt und wusste: Das will ich ausprobieren. Als ich 18 wurde, habe ich mich gleich nach einer Gruppe umgeschaut und sie gefunden.

Wie kann ich mir die Situation vorstellen, Teil einer Herde zu sein? Gibt es eine Stute oder einen Hengst, der die Herde führt?

Unsere Gruppe ist die Rocky Mountain Pony Herd. Bei uns läuft alles sehr demokratisch ab. Wir sind als Verein organisiert und jeder darf Vorschläge einbringen. Wir organisieren auch regelmäßig Munchs [Stammtisch in der Kinky-Community], wobei immer ein anderes Pony die Planung übernimmt.

Bei uns gibt es keine Hierarchien – das kann in anderen Gruppen aber völlig anders aussehen. Besonders Puppy Player haben eher eine Rangordnung und können ziemlich „cliquey“ sein. Daneben gibt es noch Kittens, Dragons, Bunnies und sehr selten, aber sehr cool: Deer Play.

Wie läuft Pet Play ab? Was benutzt ihr alles und worum geht es dir?

Drummer ist ein Friese, als Hengst ist er gerne etwas wilder. Seine Persönlichkeit ist jedes Mal ein wenig anders. Ich lerne mit jeder Session mehr über mich und mehr über Drummer. Meistens habe ich eine grobe Idee, was ich mir vom Abend erwarte.

Drummer liebt seine Freiheit, dennoch ist ihm die Nähe zur Herde sehr wichtig. Tanzen und Massagen sind wichtig, um Nähe auszudrücken.

Pony Play hat wesentlich mehr Ausrüstung als andere Formen des Pet Play, was es besonders abwechslungsreich macht. Mit gefällt das besonders – von Zaumzeug bis Peitschen und Leinen ist alles dabei. Peitschen sind großartig für Fear Play.

Das Hört sich ziemlich nach BDSM an. Gibt es noch mehr Gemeinsamkeiten?

Die Überschneidungen sind auf jeden Fall recht groß. Das meiste Lederzeug, Schlaginstrumente und Peitschen sind recht ähnlich. Wir fesseln auch gerne, wobei die Technik sich unterschiedet – man würde ja auch kein Pferd als Shibari-Figur aufhängen.

Mir ist Realismus wichtig, ich will also wie ein echtes Pferd behandelt werden. Andere sehen das nicht so streng. Im Grunde passt man BDSM Praktiken auf Pferde bzw. Tiere an. Unsere Gruppe besteht nicht ausschließlich aus Pony Playern. Mein Partner ist zum Beispiel eine Katze. Das bringt auf jeden Fall zusätzliche Abwechslung.

Eine Szene, die euch BDSMlern vielleicht bekannt vorkommt: Als ich mit 18 Pet Player wurde, wollte ich mir eine Reitgerte zulegen; ich fahre also zu einem Reitladen in der Nähe und schaue mich um. Währenddessen wurde ich immer nervöser: Was, wenn jemand merkt, dass ich gar kein Pferd habe? Ich war so angespannt, dass ich mir Sorgen machte, wie ein Ladendieb zu wirken und wurde beinahe panisch. Ich war so glücklich als ich mit meiner ersten Gerte aus dem Laden spaziert bin. Sie ist bis heute mein Lieblingsspielzeug.

 


Titelbild: Sovereign Cervine (c)