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Forderung nach nachhaltigem Kapitalinvestment an der Leuphana: Warum tut sich nichts?

Schon lange setzen sich Studierende an der Hochschule für eine nachhaltige Finanzpolitik der Leuphana ein, und stoßen immer wieder auf Widerstände. Ein Kommentar.

Ich bin, seit ich das Studium an der Leuphana begonnen habe, sehr froh, an einer Uni studieren zu können, die mein Verständnis von Nachhaltigkeit trifft und dieses auch als zentrale Aufgabe für unsere Zukunft sieht. Schon die Einführungswoche findet aufwändig und vielfältig gestaltet für jedes erste Semester statt. Und auch die kurz zurückliegende Konferenzwoche holt die Studierenden schon vom Anfang ihres Studiums im Bezug auf die Thematik ab und informiert zu verschiedensten Aspekten, welche Herausforderungen es für uns alle noch zu meistern gilt. Neben den Studiengängen selbst kommen dann noch diverse Initiativen und Kooperationen hinzu, die es prinzipiell allen Studierenden möglich machen, sich auf die ein oder andere Weise für eine nachhaltige Zukunft zu engagieren.

Anlässlich der im September anstehenden Kommunalwahlen in Niedersachsen, in denen Abgeordnete der kommunalen Vertretungen gewählt werden und welche die lokale Klimapolitik maßgeblich auf Jahre prägen werden, nimmt die Initiative FossilFree Lüneburg vor allem nachhaltiges Kapitalinvestment ins Auge. Fossil Free-Movements gibt es nicht nur in Lüneburg, sondern weltweit. Die NGO 350.org verbindet Fossil Free- und andere Klimaschutz-Projekte auf der ganzen Welt. Im Fokus steht der Kampf gegen klimaschädliche Investments. Solchen Projekten den finanziellen Hahn abzudrehen, hat sich unter dem Begriff ‚Divestment‘ etabliert. Wie und wo Geld angelegt wird und in welche Projekte und Firmen finanzielle Mittel fließen, wird häufig aus den Augen verloren, während es jedoch enormen Einfluss darauf hat, welche wirtschaftlichen Wege eingeschlagen werden. Zwar wächst langsam das Bewusstsein und sorgt beispielsweise dafür, dass immer mehr Menschen ihre privaten Girokonten bei einer nachhaltigen Bank einrichten. Aber gibt es auch für staatliche Institutionen eine regulierende Instanz, die ein Auge darauf hat, dass Geschäfte und Geldanlagen vereinbar sind mit den 17 Zielen der Nachhaltigkeit der Vereinten Nationen oder dem Pariser Klimaschutzabkommen? Wie auch bei vielen anderen nachhaltigen Bemühungen muss ein solches Engagement aus der Bevölkerung selbst kommen, wenn der Gesetzgeber für die Wirtschaft keine Regularien einführt.

Finanzen an der Leuphana

Ein zentrales Anliegen der Initiative Fossil Free Lüneburg sind seit einigen Jahren die Geldanlagen der Leuphana selbst. Die Finanzen der Universität liegen vollständig bei der Nord LB (Norddeutsche Landesbank – Nord/LB), der Landesbank Niedersachsens und Sachsen-Anhalts. Dazu gehören neben unseren Semesterbeiträgen auch ein Stiftungs- bzw. Eigenkapital von rund 70 Millionen Euro, die der Nord/LB für Investments zur freien Verfügung stehen – und an dieser Stelle wird es problematisch. Denn obwohl die Nord LB sich beispielsweise mit der Unterzeichnung der ,Principles for responsible banking’ nach außen hin grün und nachhaltig gibt, liegt sie beim WWF-Bankenrating im unteren Mittelfeld bis Durchschnitt. In Portfoliovorschlägen finden sich weiterhin Firmen von Eon bis RWE. Das Argument, man ,dürfe Branchen nicht diskriminieren’, welches sich das Team von Fossil Free nach eigenen Aussagen schon anhören durfte, klingt fadenscheinig.

,Branchen nicht diskriminieren‘?

Wenn man nachhaltig wirtschaften möchte, dann gehören bestimmte Branchen einfach diskriminiert, wobei man sich schon an dem Wort ,Diskriminierung’ stören sollte – schließlich handelt es sich um keine natürlichen Personen, sondern um einen wirtschaftlichen Verbund, der bewusst Entscheidungen trifft, die die Klimakrise und weltweite Ungerechtigkeiten weiter befeuern. Den Bau eines Gaskraftwerks zu finanzieren, indem man ein nicht nachhaltig agierendes Unternehmen des Energiesektors zum Opfer einer angeblich diskriminierenden grünen Politik stilisiert, vor der man es schützen zu müssen glaubt, klingt nicht nur grundlegend falsch, sondern ist es auch. Dass die Nord/LB in Nachhaltigkeitsdingen noch nicht einmal die schlechteste Wahl ist, die man treffen kann, sei jedoch festgehalten, wenn dies auch traurig ist. Wie in vielen Unternehmen gibt es ein Nachhaltigkeitsmanagement und die Bank unterstützt beispielsweise kein Fracking. Doch das Interesse, wirklich konsequent und unabhängig von Gewinninteressen zu handeln, bleibt oft weit hinter dem schönen Schein zurück – sich auf der eigenen Website gerade heraus als nachhaltig zu bezeichnen (Quelle), während man weiterhin auf die Verantwortung des Gesetzgebers im Bezug auf die Einführung weiterer Regularien verweist, wird dem nicht gerecht. Ausschlusskriterien für die Vergabe von Krediten sind bei der Nord LB gerade in Angelegenheiten der Nachhaltigkeit mit der Lupe zu suchen.

Grundsätzliche Offenheit vorhanden

Der Antrag auf Bankenwechsel wurde schon 2019 vom Student*innenparlament – StuPa (campus.grün) mehrheitlich angenommen – es gab seither Gespräche zwischen studentischen Vertreter:innen und dem Präsidium, der Finanzverwaltung der Leuphana und der Nord/LB selbst. Interesse an einer nachhaltigen Finanzwirtschaft seitens der Leuphana scheint grundsätzlich vorhanden zu sein, und man kann nicht behaupten, die Nord/LB hätte sich beim Meeting nicht Mühe gegeben, Gesicht zu zeigen. Nach Aussagen von Fossil Free waren sowohl Vertreter*innen aus dem Nachhaltigkeitsmanagement anwesend, wie auch aus dem Portfolio- und Kommunikationsmanagement – insgesamt acht bis neun Personen. Auch von Dr. Sascha Ludenia, dem Finanzbeauftragten der Leuphana, scheint zumindest eine Offenheit dem Thema gegenüber da zu sein.

Das Hauptargument, das gegen einen Bankenwechsel weg von der Landesbank vorgebracht wird, ist allen anderen voran die Sicherheit. Um es in einem Satz vereinfacht zusammenzufassen: da eine Landesbank, wie der Name schon sagt, dem Land gegenüber Verpflichtungen hat, sind diese im Fall einer Finanzkrise auch sicher, von staatlicher Seite gerettet zu werden. Dass die Entscheidenden in der Frage, bei welchem Finanzunternehmen das Geld der Hochschule liegt, die finanzielle Sicherheit der Leuphana und aller Studierenden im Blick hat, ist eine gute Sache.

Mehr Konsequenz wäre wünschenswert

Aber bei einer Universität, die sich Nachhaltigkeit so auf die Fahne schreibt, sollte man eigentlich auch erwarten können, dass das größere Bild ebenfalls wahrgenommen wird – auf der einen Seite mit der Nachhaltigkeitsthematik in den meisten Diskursen voranzugehen, während das gesamte Kapital von einer nicht nachhaltigen Bank nach Belieben zur Finanzierung fossiler Energieträger oder Rüstungsindustrie verwendet werden kann, erscheint inkonsequent. Wie in so vielen anderen Angelegenheiten rund ums Thema Nachhaltigkeit haben unmittelbarer anmutende Risiken oder Unbequemlichkeiten (wie die potenziell verringerte finanzielle Sicherheit während einer Finanzkrise oder die administrativen Aufwände für einen Bankenwechsel) einen viel höheren Einfluss auf Entscheidungen als wesentlich schwerer wiegende, aber abstrakter und weiter entfernt erscheinendere Risiken wie die indirekte Förderung klimaschädlicher Projekte.

Zugegeben: die Problematik ist komplex. Aber lösbar.

Natürlich muss eine Bank auch in der Lage sein, die administrativen und organisatorischen Kapazitäten für die Verwaltung von Hochschulfinanzen aufzubringen, was die Auswahl nachhaltiger Finanzinstitute sicherlich noch einmal maßgeblich einschränkt. Aber all diese Herausforderungen ließen sich lösen. Neben der Forderung des Bankenwechsels gibt es beispielsweise auch Überlegungen, wie man einen Kompromiss schaffen könnte – wenn es denn schon die Nord/LB sein muss, kann man dann nicht wenigstens auf die eigenen Finanzen Einfluss nehmen? Selbstverständlich ist die Leuphana wohl nicht der finanzstärkste und einflussreichste Player, doch ein gewisser Druck oder ein kritisches Statement im Bezug auf die finanziellen Geschäfte der Nord/LB sind sicher im Bereich des Möglichen. Auch ließe sich darüber nachdenken, ob das Geld nicht direkt in nachhaltigen, möglichst krisensicheren Projekten angelegt werden könnte – schließlich werden weitere klimatische, soziale oder humanitäre Krisen durch unethische Kapitalinvestitionen auch wiederum befeuert. All diese Optionen halten garantiert weitere Herausforderungen bereit, die sorgfältig von fachlich kompetenten Personen abgewägt werden müssen und über deren genaue Realisierbarkeit im Detail ich mich nicht qualifiziert äußern zu können glaube. Doch wenn der Wille wirklich da ist, ist eine Finanzwirtschaft, die nicht direkt oder indirekt Klimakiller unterstützt, möglich und darf nicht einfach als idealistisch-naive Utopie geframed werden.

Meetings und Gespräche – aber nichts passiert

Die Erfahrung, die das Student*innenparlament und Fossil Free Lüneburg in all der Zeit des Engagements gemacht haben, ist letztendlich, dass nichts passiert. Die Nachhaltigkeitsbeauftragte der Leuphana, Dipl. Umw. Irmhild Brüggen, verwies nach Angaben von Fossil Free in der Vergangenheit die Verantwortlichkeit immer zu Dr. Sascha Ludenia, was in Anbetracht der Frage, ob eine einzelne Person so viel Verantwortung überhaupt tragen sollte, durchaus als problematisch zu betrachten ist. Auch dass mit Dr. Sabine Johannsen, der niedersächsischen Staatssekretärin für Wissenschaft und Kultur, auch die ehemalige Geschäftsführerin der Landestreuhandstellen der Nord/LB im Stiftungsrat der Leuphana sitzt (Quelle), lässt sich zumindest kritisch hinterfragen. Denn dieser trifft im Bezug auf das bereits erwähnte Stiftungs- bzw. Eigenkapital der Leuphana von rund 70 Millionen Euro, das neben unseren halbjährlichen Semestergebühren ebenfalls bei der Nord LB liegt, die maßgeblichen Entscheidungen.

Frustrierend an der ganzen Sache ist zweifellos, dass der Wunsch der Studierenden und der Vertretung durch das Student*innenparlament nach einer nachhaltigen Finanzwirtschaft der Hochschule bekannt ist, während er jedoch behandelt wird wie eine Option. Es wäre sicher wünschenswert, wenn das sonst sehr nachhaltig orientierte Engagement der Leuphana sich auch in finanzwirtschaftlichen Aspekten an nachhaltigen Zielen und dem Wunsch der Studierenden ausrichten würde.

Eigenes Engagement ist möglich

Aus der Untätigkeit der Entscheidenden zog Fossil Free im Januar einmal mehr Konsequenz: mit einer Petition soll erreicht werden, was der Beschluss des Student*innenparlaments nicht geschafft hat. Wer sich als Studierende*r also noch positionieren will, kann das hier tun. Außerdem hat die Initiative anlässlich der am 12. September stattfindenden kommunalen Wahlen drei finanzpolitische Forderungen formuliert. Es geht um Ausschluss- und Positivkriterien für Kapitalanlagen, darum, die Sparkassen im Bezug auf Finanzierungen zur Verantwortung zu ziehen, und klimaschädliche Anlagen schnellstmöglich abzustoßen. Bürger*innen und Unternehmen sollen außerdem aktiv dazu ermächtigt werden, regional und nachhaltig zu investieren. An alle in Niedersachsen gemeldeten und wahlberechtigten Personen sei daher schonmal appelliert, das Datum im Hinterkopf zu behalten und sich vielleicht schon mal zu informieren, wen man wählt.

Es bleibt zu hoffen, dass mit dem gemeinsamen Engagement von FossilFree Lüneburg und der Studierenden, sowie dem Willen für eine nachhaltige Finanzwirtschaft der Hochschule sich künftig etwas ändert, damit mit dem Universitätsetat und den gezahlten Studiengebühren künftig nicht mehr länger klimaschädliche Investments unterstützt werden.


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Viktoria Steiber

Studiert Kulturwissenschaften und mag Journalismus.

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