Filmtipp: Atomic Blonde | Ruben’s Cinematic Universe

Eine britische Agentin soll eine Liste in Berlin sicherstellen. Mehr dazu im Filmtipp!

Berlin, November 1989

Wenige Tage vor dem Fall der Mauer 1989 begibt sich eine britische Agentin des MI6 nach Berlin. Dort soll sie eine Liste ausfindig machen, die Informationen über die aktiven Geheimagent:innen beider Seiten im Kalten Krieg enthält. Doch wem kann sie bei ihrer Mission vertrauen?

Künstlerische Freiheit

Wenn ATOMIC BLONDE eines hat, dann ist es wohl Stil. Dieser Stil zeigt sich schon im interessanten Setting im Berlin wenige Tage vor dem Fall der Mauer. Der Film kann die Atmosphäre, welche die Vorboten dieser Zeitenwende mit sich bringt, für sich nutzen. Proteste auf den Straßen, Fernsehberichte über die angespannte Lage und nervöse Agenten auf beiden Seiten vermitteln im Hintergrund einen Eindruck von einer politisierten und gespaltenen Stadt, in der bald Geschichte geschrieben werden wird. Dabei setzt der Film bei den Kostümen auf viele Trends der damaligen Mode sowie bei der Musik auf einen passenden 80er-Soundtrack, unter anderem auch mit deutschen Hits. Darüber hinaus glänzt Charlize Theron in der Hauptrolle in den unterschiedlichsten Outfits mit herausragender Eleganz oder undurchsichtigem Charme.

Die weitere audiovisuelle Gestaltung der Sets und Locations ist ebenfalls ein Fest für Augen und Ohren. Von dunklen Gassen, großen Plätzen, Lichtröhren in Neon mit Rot und Blau, rot geflutete Dunkelkammern über kalte und düstere Apartments bis hin zu strahlend weißen Stadtlandschaften gibt es einiges zu bestaunen. Handelt es sich bei ATOMIC BLONDE ingesamt um eine authentische Nachbildung der damaligen Zeit? Vermutlich nicht. Handelt es sich bei ATOMIC BLONDE um eine ästhetische Vision, bestehend aus der Verbindung von 80er-Nostalgie mit künstlerischen Freiheiten? Absolut.

Knallharte Action

Der Film ist aber nicht nur eine künstlerisch freie Interpretation des Kalten Krieges, sondern auch ein Agententhriller, in dem auch die Action nicht zu kurz kommt. Überaus gut über den Verlauf des Films verteilt, ist sie zwar in gewisser Weise ebenso stilvoll inszeniert wie der Rest des Films, grenzt sich aber dennoch von der sonstigen visuellen Gestaltung ab. Die Actionszenen stechen in ihrer schonungslosen Brutalität und der Nähe zum Realismus heraus. Dabei bestimmt die jeweilige Umgebung den Kampf und die Kameraführung passt sich den verschiedenen Szenarien an. Ist sie beim eindrucksvollsten Kampf in einem Treppenhaus immer ein wenig distanziert, damit die Choreografien zu sehen sind, so ist sie bei einer Schießerei in einer Wohnung wie eine eigene Figur immer dabei, neue Deckung von den Schüssen zu suchen. Dadurch wirken die Kämpfe nicht beliebig und lassen sich klar voneinander unterscheiden.

Style over Substance?

Für manche Zuschauenden ist ATOMIC BLONDE am Ende vielleicht ein klarer Fall von „Style over Substance“, in welchem die audiovisuelle Gestaltung vor einer Geschichte mit inhaltlicher Substanz steht. Denn die Geschichte um die verschiedenen Agent:innen und die Jagd nach der Liste weiß nicht so recht zu überzeugen. Wer aufmerksam zuschaut, wird vermutlich alle Schachzüge und Intrigen verstehen, allerdings ohne dass es dadurch deutlich spannender wird.

Durch seinen Stil vermittelt der Film aber auch nicht den Eindruck, dass ihm an einer Geschichte mit Substanz gelegen ist. Die Ausgangslage ist interessant genug, so dass sie Anstoß gibt für eine Reihe exzellenter Actionszenen, die im Gedächtnis bleiben. Die gewisse Oberflächlichkeit sorgt darüber hinaus für eine spannende Mystifizierung der Protagonistin, die zwar entschlossen scheint ihren Auftrag durchzuziehen, aber dennoch undurchsichtig bleibt. Im Gegensatz zu KATE, zu dem ihr die Kritik hier nachlesen könnt, behält ATOMIC BLONDE ebenfalls seinen visuellen und erzählerischen Stil bei. Deshalb bleibt die Geschichte zwar ohne nennenswerten Tiefgang, aber auch in sich geschlossener. Das grundlegende Szenario erlaubt außerdem von Beginn an eine bessere Vorbereitung für Twists im Verlauf des Films, von denen es natürlich einige gibt. Eine gewisse Substanz lässt sich also definitiv finden.

(verfügbar als Video-on-Demand bei u. a. Amazon Prime oder Apple TV)

Übersicht

Erscheinungsjahr: 2017
Regie: David Leitch
Drehbuch: Kurt Johnstad
Cast: u. a. Charlize Theron, James McAvoy, Sofia Boutella

Trailer


Mehr Informationen zu Ruben’s Cinematic Universe sind hier zu finden.

Den Artikel von letzter Woche gibt es hier.

Foto: ©Ruben Schmidt