Filmkritik: Red Notice | Ruben’s Cinematic Universe

Was passiert, wenn drei der angesagtesten Hollywood Stars mit Geld überhäuft werden? Die Antwort gibt es in meiner Filmkritik der Woche.

Irgendwas mit goldenen Eiern

Ein FBI-Profiler hängt sich an die Fersen eines weltweit gesuchten Kunstdiebes. Beide treffen auf eine mysteriöse Frau, die ihnen immer einen Schritt voraus zu sein scheint. Als sich alle drei auf die Jagd nach den drei diamantenen und goldenen Eiern der Kleopatra machen, entspannt sich ein Abenteuer, dass sie an die verschiedensten Orte des Planeten führt.

Apropos Gold

RED NOTICE wird mit einem geschätzten Produktionsbudget von ca. 150 Millionen US-Dollar als eine der teuersten, wenn nicht als teuerste Netflix Original Produktion beschrieben. Ein Blick auf den Cast verrät schon, wohin ein Großteil des Geldes geflossen sein dürfte. Denn die drei Hauptdarsteller:innen gehören derzeit zu den angesagtesten Blockbusterschauspieler:innen der Welt. Ob Ryan Reynolds, Dwayne Johnson oder Gal Gadot, sie alle haben an kommerziell erfolgreichen Franchises mitgewirkt und sind in anderen großen Produktionen zu sehen gewesen.

Darüber hinaus präsentiert der Film opulente Setpieces und die verschiedensten Locations. Denn wie es sich für eine Schnitzeljagd rund um den Globus gehört, wartet RED NOTICE mit jedem erdenklichen Szenario auf. Sei es ein eisiges, isoliertes russisches Gefängnis, ein prachtvolles Museum in Rom oder ein wilder Dschungel in Argentinien, es ist einfach alles dabei. Mit diesen Voraussetzungen in Kombination mit seinem Plot kommt der Film wie eine Mischung aus INDIANA JONES, OCEANS ELEVEN und JAMES BOND daher. So geht es zum Beispiel darum, einen verschollen geglaubten Schatz zu finden. Ein anderer Schatz muss aus einem unüberwindbaren Sicherheitssystem gestohlen werden. Und natürlich wird nebenbei auch noch in bester Agentenmanier auf geheimen Partys herumgeschlichen.

Fluch der Action

Direkt zu Beginn des Films entsteht daraus in einem Museum ein rasantes Hütchenspiel mit einer wilden Verfolgungsjagd, die den Ton für den Rest des Films vorgibt. Es geht schnell und mit voller Action zur Sache, wobei einiges kaputt geht, allerdings ohne wirkliche physische Konsequenzen für die Protagonist:innen. Die Action steht damit ganz im Zeichen von Abenteuerfilmen wie zum Beispiel dem bereits erwähnten INDIANA JONES oder auch FLUCH DER KARIBIK. Allerdings ist sie längst nicht so detailliert choreografiert und schön flüssig mit der Kamera eingefangen wie in letzterem Beispiel. Eine grandios tollpatschige und gleichzeitig clevere Figur wie Johnny Depps Jack Sparrow fehlt leider ebenfalls. Außerdem wird an manchen Stellen unnötigerweise mit der Kamera gespielt. Neue Winkel, Drehungen und Bewegung sollen das Ganze dynamischer wirken lassen oder darüber hinweg täuschen, dass sich trotz interessanter Location und Ausgangslage niemand wirklich Gedanken über die Choreographie gemacht zu haben scheint. Denn auch wenn diese Ideen für eine dynamischere Kamera nicht per se unnötig sind, so tragen sie über die reinen Schauwerte nicht wirklich etwas zum Film bei. In den wunderbar überzogenen und doch spannenden Verfolgungsjagden in FLUCH DER KARIBIK wurden mitunter eigene Geschichten erzählt. Außerdem verdeutlichten die verschiedenen Kampfstile und Taktiken der Protagonisten deren Motivationen, Ziele und vor allem Charaktereigenschaften, die man während des restlichen Films beobachten konnte. Eine solche Finesse lässt RED NOTICE leider vermissen.

Jäger der verlorenen Anspielung

Bei dieser Verdichtung und Kombination von Genres und filmischen Vorbildern werden natürlich viele für Abenteuer-, Heist- und Spionagefilme stereotypische Handlungsentwicklungen in den Film eingebaut. So werden wie selbstverständlich abenteuerliche und riskante Pläne minutiös ausgearbeitet und auch die diversen Twists und Turns dürfen nicht fehlen. Doch der Film entscheidet sich, eher leichte, oberflächliche Unterhaltung zu bieten. Das Spektakel, die überaus gut bezahlten und bekannten Darsteller:innen und der Spaß sollen schließlich im Vordergrund stehen. Die Wendungen geraten dadurch leider entweder sehr vorhersehbar oder sind letztlich gar nicht so aufregend, wie sie es vielleicht gerne wären. Die Verweise auf andere Filme sind dabei nicht nur Bestandteil dieser Kritik, sondern auch des Films. Doch bei einzelnen Anspielungen oder eingebauten Easter Eggs bleibt es leider nicht. Ganze Elemente werden aus anderen Filmen übernommen. So gibt es etwa die klassisch ratlose Agentin von Interpol, die immer eine Sekunde zu spät kommt. Natürlich sind es wie in INDIANA JONES am Ende Nazis, die etwas mit dem verschollenen Schatz zu tun haben. Und wie selbstverständlich steckt schon hinter bereits gesehenen Szenen viel mehr, als die Zuschauenden auf den ersten Blick zu sehen bekommen, so dass der große Plan erst am Ende enthüllt werden kann. Doch auch ohne Drehbuchautor:in zu sein, lässt sich erahnen, wie platt diese angeblichen Twists und Enthüllungen in RED NOTICE geschrieben sind. In anderen Filmen werden gute Überraschungen nämlich schon während des Films zumindest ab einem gewissen Zeitpunkt vorbereitet. So läuft ein Drehbuch in diesen anderen Fällen zwar Gefahr, dass aufmerksame Zuschauende die Enthüllung schon von Anfang an erraten könnten. Doch während sich diese aufmerksamen Zuschauenden meist bis zur Auflösung nie ganz sicher sein können, kommt die Überraschung für alle anderen zwar plötzlich, aber nicht völlig aus dem Nichts. Die Wendungen in RED NOTICE werden jedoch zu keinem Moment anständig vorbereitet, so dass sie bei ihrer Enthüllung komplett beliebig wirken.

Keine Zeit zu schauspielern

Während das Drehbuch den Figuren schon sehr wenig echte Dreidimensionalität einhaucht, schaffen es auch die Schauspieler:innen nicht, ihren Rollen durch ihre eigene Performance Tiefe zu verleihen. Es scheinen nie echte Charaktere miteinander zu interagieren. Vielmehr macht sich das Gefühl breit, die Darsteller:innen schlicht bei ihrer Arbeit zu beobachten, die ein Best Of ihrer letzten Rollen abgeben. Ryan Reynolds Figur hat zum Beispiel ähnlich flotte Sprüche drauf wie seine Figur in DEADPOOL. Diese sind zwar auf eine ähnliche Weise (selbst)referenziell (Stichwort Pfeifen). Doch ein bissiger Humor auf einer Metaebene stellt sich nie ein. Dafür nimmt der Film sich dann doch zu ernst. Dwayne „The Rock“ Johnson macht währenddessen seinem Spitznamen alle Ehre. Er mimt, ähnlich wie im FAST & FURIOUS Franchise, einen unzerstörbaren Superhelden, dem nicht einmal eine Explosion von einem Raketenwerfer in unmittelbarer Nähe oder ein direkter Angriff eines Stiers etwas anhaben kann. Einzig Gal Gadot kann einige wenige Akzente setzen und überzeugt in ihren Actionszenen. Die Rolle der Femme Fatale scheint ihr eine Menge Spaß gemacht zu haben.

Exotische Studios

Wenn nun schon das Drehbuch, die Story und die Schauspieler:innen nicht wirklich überzeugen, dann sollten bei dem anfangs erwähnten Budget von 150 Millionen US-Dollar doch wenigstens die Schauwerte des Films stimmen. Schließlich zeichnen sich Abenteuerfilme oder auch ein Streifen aus der Reihe JAMES BOND durch ferne, exotische Schauplätze aus, an denen dann gekämpft und geliebt werden darf. Doch selbst hier weiß RED NOTICE nicht zu überzeugen und blamiert sich sogar auf ganzer Linie. Während die Sets an sich interessant sein mögen, so ist die Umsetzung ein schlechter Scherz. Denn obwohl die Figuren sich angeblich im tiefsten Dschungel oder in einer Stierkampfarena befinden, wird bei nicht einmal allzu genauem Hinsehen deutlich, dass sich die Schauspieler:innen in einem Studio vor einem Greenscreen befinden, mit dessen Hilfe die Schauplätze nachträglich digital eingefügt wurden. Die schlechte Belichtung des Sets sowie die amateurhaften Effekte springen förmlich ins Auge, wodurch die Glaubwürdigkeit der Szenen und letztlich die Magie des Films zerstört wird. Solche peinlichen Ergebnisse sind aber nicht unbedingt zurückzuführen auf unfähige Künstler:innen, die für die visuellen und digitalen Effekte verantwortlich sind. Meist fehlt es diesen einfach an Zeit und Geld, um ein perfektes Ergebnis abzuliefern. Und eingangs wurde bereits erwähnt, wo der Schwerpunkt bei der Finanzierung dieses Filmprojekts gelegen haben dürfte.

Fazit

In RED NOTICE werden drei der angesagtesten Schauspieler:innen Hollywoods mit einem riesigen Budget und unzähligen Anspielungen und Stückwerken aus besseren Filmen überhäuft. Das Resultat ist ein kalkulierter Erfolg – schließlich eroberte der Film im Handumdrehen die Charts bei Netflix. Dennoch ist RED NOTICE meiner Ansicht nach alles andere als ein gelungener Film.

(verfügbar auf Netflix)

Übersicht

Erscheinungsjahr: 2021
Regie: Rawson Marshall Thurber
Drehbuch: Rawson Marshall Thurber
Cast: u. a. Ryan Reynolds, Dwayne Johnson, Gal Gadot

Trailer


Foto: ©Ruben Schmidt