Filmanalyse: The Last Duel | Ruben’s Cinematic Universe

Zwei Männer. Eine Frau. Ein Verbrechen. Und das letzte Duell in der Geschichte.

Übersicht

Erscheinungsjahr: 2021
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Nicole Holofcener, Matt Damon, Ben Affleck
Cast: u. a. Jodie Comer, Matt Damon, Adam Driver

Inhalt

Jean de Carrouges ist ein ehrgeiziger Ritter Frankreichs. Nachdem er in mehreren Kriegen für seinen König gekämpft hat und immer noch nicht hinreichend belohnt und ehrenvoll behandelt wird, heiratet er Marguerite de Thibouville, um sein Ansehen und seine Stellung zu verbessern. Sein einstiger Freund Jacques Le Gris ist ebenso ehrgeizig, hat aber im Grafen Pierre d’Alençon einen mächtigen Unterstützer. Als Marguerite den Vorwurf erhebt, von Jacques Le Gris vergewaltigt worden zu sein, fordert Jean de Carrouges ihn zu einem Duell auf Leben und Tod heraus, um die Schuld zu beweisen. Es wird als das letzte Duell in die Geschichte Frankreichs eingehen.

Alles schon mal gesehen!

Ridley Scott ist ein vielseitiger und vielbeschäftigter Regisseur und hat mit seinen Filmen wie ALIEN oder BLADE RUNNER auch maßgeblich die Filmgeschichte geprägt. Er ist allerdings auch bekannt für große Historienfilme verschiedenster Art, seien es GLADIATOR, ROBIN HOOD oder EXODUS. Nun widmet sich Scott erneut dem Mittelalter, genauer gesagt dem letzten Duell in der Geschichte Frankreichs. THE LAST DUEL bringt, um es gleich vorweg zu sagen, dabei alle handwerklichen Standards mit, die man von einem Film dieser Größenordnung unter der Regie von Ridley Scott wohl erwarten darf. Die Kostüme sind akkurat, die Sets, Kulissen und Landschaften werden stimmig eingefangen und die Musik versetzt die Zuschauenden auch gleich zurück ins Mittelalter. Allein die Frisuren von Stars wie Matt Damon oder Ben Affleck wirken recht gewöhnungsbedürftig. Wenn jedoch gekämpft wird, dann richtig. Galoppierende Pferde treffen auf stehende Menschenkörper, Schwerter und Lanzen bohren sich durch Holz und Fleisch.

Alles schon mal gesehen?

Abgesehen davon ist THE LAST DUEL aber kein gewöhnliches Historienepos mit ehrenhaften Rittern und hübschen Damen. Das titelgebende letzte Duell der beiden einst befreundeten Kontrahenten dient lediglich als Ausgangspunkt für die Handlung. Der Fokus des Films liegt auf den Ereignissen, die zu diesem Duell geführt haben. Interessanterweise wird diese Geschichte aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt, wodurch sich der Film auch ungefähr in drei Teile aufteilen lässt. Die erste Perspektive schildert die Ereignisse aus der Sicht von Jean de Carrouges, gespielt von Matt Damon, die zweite aus der Sicht von Jacques Le Gris, gespielt von Adam Driver. Die dritte und vermutlich wichtigste Sichtweise ist die von Marguerite de Carrouges, gespielt von Jodie Comer, deren Vorwurf der Vergewaltigung Anlass für das letzte Duell ist. Durch diese Verschiebung der Erzählperspektive erscheinen die Ereignisse auf eine ganz andere Art, indem mal mehr und mal weniger neue Hintergrundinformationen geliefert werden oder bereits gezeigte Szenen aus einem anderen Blickwinkel anders wirken.

Die beiden ersten Perspektiven zeigen zwei Männer, die ähnliche Ambitionen haben, aber unterschiedlich erfolgreich damit sind. Während sich Jean de Carrouges für ehrenvoll hält und stets darum bemüht ist, seine Ehre zu betonen und zu vergrößern, dadurch allerdings auch häufig betrogen, ausgelacht und in seinen Augen ungerecht behandelt wird, ist Jacques Le Gris ein auf eine andere Art selbstbewusster, talentierter und zugleich arroganter Mann, der durch seine glückliche Stellung beim Grafen glaubt, alles erreichen und besitzen zu können. Natürlich scheinen diese Charaktereigenschaften schon in den ersten beiden Kapiteln des Films durch. Dennoch sorgt die Erzählung aus der jeweiligen Perspektive auch dafür, dass Sympathiepunkte an die beiden Männer gehen könnten. Ersterer ist so in seinen Augen wirklich ein ehrenhafter Mann, der nur das bekommen will, was ihm für seine Dienste rechtmäßig zu steht. Letzterer sieht sich als aufsteigenden Underdog ohne adeligen Namen, der für seine Fähigkeiten besser belohnt werden will als Adelige, die nichts leisten außer einen großen Namen zu tragen.

Es ist allerdings die entscheidende dritte Perspektive aus Sicht von Marguerite de Carrouges, welche das Bild vervollständigt. Marguerite de Carrouges wird gezeigt als eine schöne, aber natürlich auch intelligente Frau, die ihre Talente allerdings nur ausspielen kann, wenn ihr Mann im Krieg ist. Ansonsten ist sie jedoch nichts anderes als Besitz für ihren Mann, der sie auch nur wegen ihres Namens und ihrer Mitgift geheiratet hat. Diese Perspektive zeigt den Zuschauenden, dass die liebevolle und zugeneigte Art von Marguerite gegenüber ihrem Mann Jean, die man aus seiner Perspektive sehen konnte, in ihren Augen gar nicht über das einfache Erfüllen ihrer ehelichen Pflichten hinaus geht und er diese scheinbare Liebe auch nur mit männlicher Dominanz und nicht mit Gegenliebe erwidert. Wenn sie einmal wirklich von ihm begehrt und geliebt werden will, weist er sie sofort in ihre Schranken zurück. Das Begehren durch Jacques Le Gris, welches sie eindeutig unabsichtlich erregt, wird von diesem als gegenseitiges Begehren verstanden, wozu es dann zu der Vergewaltigung kommt. Der Film stellt die Vergewaltigung aus Jacques’ Sicht natürlich auch als eine Vergewaltigung dar. Aus der Sicht von Marguerite wird es nur sehr viel deutlicher, dass es sich für sie um eine Vergewaltigung handelt, während Jacques ihre Ablehnung zu Beginn eher als eine Art Spiel versteht oder vielleicht verstehen will. Denn obwohl er natürlich nicht für seine Taten bestraft werden möchte, so scheint ihm dennoch bewusst zu sein, etwas verbrochen zu haben.

Männer schrieben Geschichte

Sobald Marguerite ihrem Mann von der Vergewaltigung berichtet, wird deutlich, gegen wen sie sich damit eigentlich wirklich stellt. Natürlich möchte sie, dass Jacques Le Gris dafür bestraft wird, was aufgrund der fehlenden Beweise gar nicht mal so sicher ist. Im Laufe des Prozesses wird jedoch deutlich, dass sie sich mit ihrer Anklage gegen das gesamte Patriarchat des Mittelalters stellt. Zunächst einmal willigt Jean überhaupt erst ein, ihre Anklage weiterzutragen, weil er sich in seiner eigenen Ehre verletzt sieht. Hierbei erweist es sich als nützlich, zuvor seine Perspektive gesehen zu haben. Der Film dekonstruiert auf diese Weise die „ehrenvollen“ Prinzipien der patriarchalen Gesellschaft. Als weitere Schwierigkeit für ihren Fall erweist sich die Tatsache, dass Marguerite bis dahin noch nicht schwanger von ihrem Mann geworden ist. Zum Zeitpunkt des Prozesses ein halbes Jahr später ist sie jedoch schwanger. Da damals angenommen wurde, Frauen könnten nur bei eigenem Lustempfinden schwanger werden, wird ihr unterstellt, es habe sich statt einer Vergewaltigung um Ehebruch gehandelt. Marguerite habe offensichtlich Lust bei der Vergewaltigung empfunden, weswegen sie nun mit einem unehelichen Kind schwanger sei. So wird der zutiefst menschliche Wunsch von ihr, sich auch mal ehrlich begehrt zu fühlen, gegen sie verwendet. Statt sie wie das Opfer eines widerlichen Verbrechens zu behandeln und mit ihr mitzufühlen, wird ihrer Anklage von Vornherein mit Skepsis begegnet und sie eines Verbrechens beschuldigt. Des Weiteren zeigt sich, dass selbst Freundinnen von ihr das Patriarchat in sich aufgenommen haben und sie abstoßen, weil sie die Vergewaltigung öffentlich macht, und sie sogar verraten, weil sie die Vergewaltigung mit ihren Äußerungen über das Aussehen von Jacques Le Gris selbst verschuldet habe. Zuletzt ist es erschütternd zu erkennen, dass sie die Entscheidung über die Richtigkeit ihrer Anschuldigung und damit auch das Urteil über Schuld und Unschuld an eben jene beiden Männer abgegeben muss, die sie unterdrücken und die nun durch einen Kampf auf Leben und Tod vor Gott entscheiden müssen.

Frauen schreiben Geschichte

All diese Aspekte machen den Film über die reine Spannung der Geschichte und die Schauwerte hinaus sehenswert, wobei Jodie Comer zugegeben eine wahnsinnig eindrückliche Performance abliefert. Die Geschichte wurde bis heute überwiegend von Männern geschrieben. Kein Wunder also, dass klassische Geschichten aus dem Mittelalter von mutigen und ehrenhaften Rittern und schönen Damen erzählen. Nun rückt also die Perspektive einer Frau in den Mittelpunkt, schildert die Fundamente, auf denen unsere heutige Gesellschaft aufbaut, aus einer anderen Sicht und prangert diese an. Dabei zeigt sich auch die Aktualität dieser 700 Jahre alten Geschichte. Denn Fragen nach der Beweislast und der Schuld oder Unschuld, wenn Wort gegen Wort steht, sind auch heute noch für viele Menschen und besonders Frauen bei sexuellen Übergriffen von Bedeutung. Verantwortlich für diese Aktualität dürfte vermutlich Co-Drehbuchautorin Nicole Holofcener gewesen sein, die zusammen mit Matt Damon und Ben Affleck das Drehbuch zum Film beisteuerte. Auch hier zeigt sich, wie wichtig eine weibliche Perspektive nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera sein kann.

Natürlich sollte man nun nicht zu viel von diesem Film erwarten, der gleichzeitig auch noch ein Historienepos sein möchte. Hier könnte man kritisch anmerken, dass die Zielgruppe für den Film ein wenig unklar bleibt. Denn fest steht, dass Zuschauende mit einem Interesse an historischen Schlachten nicht wirklich auf ihre Kosten kommen und den Film dadurch schnell abschalten könnten, statt sich auf den Perspektivwechsel einzulassen. Andererseits könnte der Film für bereits aufgeklärtere Menschen, die sich eher weniger für klassische Historienfilme interessieren, ein wenig zu einfach oder oberflächlich und damit uninteressant wirken.

Fazit

THE LAST DUEL bringt eine neue Perspektive in ein altes Genre und vereint klassische Schauwerte mit einer anderen Erzählweise, wodurch er so oder so einiges an Diskussionsstoff zu bieten hat.

(verfügbar bei Disney+)


Foto: ©Ruben Schmidt