Eine neues Festival-Format an der Uni brachte am 23.01. frischen Wind in den Hörsaalgang der Uni. Ob es uns in der Zukunft wohl wiederbegegnen wird?
ExpEARience – vor einigen Monaten begegnete es mir zum ersten Mal als Graffiti auf dem Boden vor dem Mensaeingang. Erst konnte mir keiner sagen, was es damit genau auf sich hatte, bis ich schließlich auf meine Freundin A. traf und sie danach fragte. Ein verschmitztes Grinsen und ein „Wart’s ab!“ später war ich immer noch ratlos. Die Kopfhörer im Logo – vielleicht ein Indiz für ein Hörbuch, einen musikalischen Flash Mob oder einfach nur ein Konzert? Bald darauf tauchten auf Facebook und dem Campus immer mehr Hinweise auf aber A. wollte mir immer noch nichts verraten.
Schließlich war es soweit: am Donnerstag den 23. Januar 2014 fand auf dem Campus der Leuphana ein Event der ganz besonderen Art statt. Die Veranstaltung mit dem Titel „ExpEARience“, erdacht von den Teilnehmern des Seminars „Ways to their ears: Konzeption und Realisation innovativer Veranstaltungskonzepte“, lief, wie man heute sagt, „indoor“ ab. Und zwar in den heiligen Hallen des Hörsaalgangs, den sich anschließenden Hörsälen und dem Foyer der Bibliothek.
Jetzt denkt man sich: Na, das gibt’s doch schon. Eine musikalische Veranstaltung im Hörsaalgang – die Hörsaalgangparty! Aber aufgepasst: Während die Hörsaalgangparty – organisiert von der Fachschaft Wirtschaftswissenschaften – eher mit „Techno-Pop-Schlager“-Mucke lockt, spielt das ExpEARience Festival in einer anderen Liga. Zwar wurde es ähnlich wie das Lunatic von den Teilnehmern eines Seminars auf die Beine gestellt und scheint der Seminarbeschreibung nach fast identische Ziele zu haben. Auch legt das Projektseminar seinen Fokus auf die engere Verbindung von Musik und anderen künstlerischen Ausdrucksformen, wie etwa Tanz oder Graffitikunst.
Aber dennoch hat das Festival seinen ganz eigenen Charakter. Bisher haben nur wenige Formate versucht, das Herzstück unserer Universität, den Hörsaalgang, so zu beleben, wie es ExpEARience getan hat: mit einer einzigartigen Mischung aus unterschiedlichsten Musikstilen, Tanz, Kunst und entspannter Atmosphäre.
Und tatsächlich war für jedes Ohr was geboten: Die Big Band der Uni gab im Foyer der Bibliothek mit einem Mix aus Soul und Funk den richtigen Startschuss für den Abend und in Hörsaal 3 ging es direkt mit einem krassen Gegensatz weiter: die Band „Oracle Machine“ aus Lüneburg spielte Progressive Metal und wurde von den Schülerinnen der Hamburger Tanzschule „Erika Klütz-Schule für Theatertanz und Tanzpädagogik“ mit Ausdruckstanz begleitet.
Gegen 21 Uhr spielten die 5 Jungs von „Crown and Anchor“ in Hörsaal 4 auf. Die Hamburger zeigten mit ihrem akustischen Alternativ-Rock eindeutige Mädchenschwarmqualitäten und eröffneten wiederum ein neues musikalisches Spektrum an diesem Abend. Währenddessen bewegten sich die Schülerinnen der „Erika-Klütz-Schule“ als tänzerischer Beitrag des Abends mit wogenden, bodenlangen weißen Röcken fließend und tänzelnd zwischen den Besuchern durch den Hörsaalgang und die Hörsäle. Dabei konnte man sie nie richtig fassen. Es war, als bildete sich ein roter Faden durch den Abend, der hier und dort Halt machte, um mit der Musik zu verschmelzen oder sie zu ergänzen. Auch man selbst, als Besucher und Beobachter, hatte nie das Gefühl, dass die Zeit stehenblieb, sondern man sich in einem Strom an Bildern, Eindrücken und Klängen bewegte.
Ein weiteres Highlight fand sich im Foyer der Bibliothek. Das Orchester der Universität, unter neuer Leitung des Dirigenten Hyun-Jin Yun, spielte Ludwig van Beethovens erster Symphonie. Die Stimmung mutete dabei fast wie in einem richtigen Konzertsaal an. Gleichzeitig ließen sich Neuankömmlinge entspannt auf dem Boden vor dem Orchester oder zwischen den Säulen des Foyers nieder und lauschten oben von der Empore, wo im Unialltag sonst die Köpfe rauchen. Zur gleichen Zeit spielte am anderen Ende des Hörsaalgangs vor Café 9 das Bläser-Nonett des Landesjugendorchesters Hamburg die Petite-Symphony von Charles Gounod. Durch die Verteilung der Acts auf die Hörsäle und verschiedenen Punkte an den Enden des Hörsaalgangs beeinträchtigten sich die Musiker auch im weiteren Verlaufe des Abends nicht, ein definitiver Vorteil der Location und der Planung.
Gegen 21.30 Uhr schließlich brachte die Gruppe „Toca Sambana“ unter der Leitung von Tüte Neumüller Schwung und Farbe in die Menschenmenge im Hörsaalgang. Das Percussion Ensemble, einigen schon von anderen Veranstaltungen bekannt, wurde mit Begeisterung angenommen und ließ den Boden vor Hörsaal 2 vibrieren. Fast ein Gefühl wie auf dem Jahrmarkt: ständig schien an einer anderen Ecke etwas zu passieren. Kurz danach ging es auch schon weiter mit Loifior in Hörsaal 3, einer Band, die in Lüneburg und um Umgebung bereits des Öfteren auf Plakaten diverser Veranstaltungen erschien und 2013 sogar den Sprung zur Tour nach England geschafft hat. Man kann auf jeden Fall sagen: Ihr „Post-Pop“ sprüht vor Energie.
Im weiteren Verlauf des Abends folgten musikalische Duos aus dem studentischen Umfeld der Uni wie etwa „Sinan und Stephan“ oder „Queens Avenue“. Die beiden Jungs, ebenso wie die Mädchen, überraschten mit der Kraft ihrer Stimmen und ließen vor Café 9 fast ein bisschen die Atmosphäre eines Wohnzimmerkonzerts aufkommen. Überhaupt hatte man den Eindruck, dass man sich durch die vielen bekannten Gesichter hindurch auf einem Bazar der musikalischen Stilrichtungen und Formate bewegte, auf dem man sowohl Bekanntes als auch Unbekanntes entdecken konnte und sich definitiv wohlfühlte. Das Trio um „Julia“ in Hörsaal 4 ergänzte dieses Konzept wunderbar mit eigenen Stücken aber auch neuen Interpretationen von wunderschönen Soulhymnen. Etwas im Hintergrund aber passend zur Musik tanzten Duygu Yilgür und ihre beiden Mitstreiterinnen.
Der visuelle Beitrag des Abends wurde durch Künstler wie Adrian Würtz, einen Visual-DJ in HS1 und einen Graffiti-Künstler im Hörsaalgang gestaltet. Beim Entstehen des Graffiti wurde jeder live Zeuge, der gerade vorüberlief, während der Visual-DJ etwas versteckt in Hörsaal 2 ab 22 Uhr Lichtinstallationen zeigte.
Die Konzerte der beiden Bands „Black Stains“ („irgendwo zwischen Funk und Metal“) und „The Coracle Crew“ wurden später am Abend noch einmal von den Tänzerinnen der Tanzschule Erika Klütz ergänzt bis schließlich „Access Icarus“ den Abschluss in der langen Reihe der musikalischen Highlights machten. Manche sind auf die Band mit den neonorangenen Accessoires schon beim Klasseabend aufmerksam geworden aber nicht nur damit fallen sie auf. Selbstbewusst, kraftvoll und mit einem energiegeladenen Frontmann traten sie beim ExpEARience an und zogen noch einmal die große Menge an verbliebenen Festival-Besuchern um 23 Uhr in Hörsaal 3.
Nach diesem bunten und vielfältigen Programm ließen die Organisatoren und Besucher den Abend schließlich gemeinsam mit DJ Tschik vor Café 9 hochleben. Kurz unterbrochen von einer harmlosen und amüsanten Einlage der Lüneburger Feuerwehr, hatte die Truppe es wirklich verdient, sich selbst zu feiern! Unser Fazit für diesen Abend: Das ExpEARience verlangt nach Fortsetzung! Wir freuen uns auf ein nächstes Mal!
Autorin: Pia Köber