Gedenkstein mit der Aufschrift Bergen-Belsen 1940 bis 1945

Ein Besuch in der Gedenkstätte Bergen-Belsen

Im Rahmen des Komplementärseminars „Memory Lab: Bergen-Belsen“ sind wir am Mittwoch in die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers (KL/KZ) Bergen-Belsen gefahren. Vor Ort haben uns Gespräche mit Historiker:innen einen tiefen Einblick in die Lagergeschichte gewährt. Der Besuch einer KZ-Gedenkstätte ist ein wichtiger Teil deutscher Erinnerungskultur.

Der Lagerort Bergen-Belsen ist von einer komplexen Geschichte von Leid und Tod während des Nationalsozialismus geprägt. Seinen Ursprung als Lager hatte das Gelände 1936 als Unterkunft für Bauarbeiter, die für den Erbau der benachbarten Kaserne zuständig waren. Im Jahr 1940 wurde es um ein Kriegsgefangenenlager vor allem für sowjetische Soldaten, die ab 1941 im Lager untergebracht wurden, erweitert. Zwischen Hunger, Seuchen und Kälte waren die Überlebenschancen gering, weshalb bis zum April 1942 14.000 sowjetische Kriegsgefangene starben. 1943 übergibt die Wehrmacht einen Teil des Lagers an die SS, Bergen-Belsen in das KZ-System eingegliedert wird. Das KZ Bergen-Belsen hob sich besonders zu Beginn von anderen Lagern als sogenanntes Austauschlager ab. Heinrich Himmler nutzte das Lager, um jüdische Häftlinge für einen Austausch mit im Ausland lebenden Deutschen und Kriegsgefangenen sowie Ressourcen und Geld bereitzuhalten. Aufgrund von Verbindungen ins Ausland zum Beispiel durch Pässe oder einflussreiche Verwandte war die SS daran interessiert, die Insassen am Leben zu erhalten. Die Zustände waren relativ gesehen besser, unter anderem durften Familien tagsüber beisammen sein, es blieb jedoch ein KZ.

Mit Fortschreiten des Krieges wurden die Bedingungen stetig schlimmer. Der Transport von geschwächten und erkrankten Häftlingen aus anderen Konzentrationslagern nach Bergen-Belsen brachte weitere Krankheiten mit sich und verschlechterte die Nahrungsversorgung, genauso wie die Verlegung tausender Frauen in das Frauenlager des KZ Bergen-Belsen. Durch die Evakuierung frontnaher Lager, darunter das KZ Auschwitz, wurden bis 1945 mehr als 85.000 weitere Häftlinge nach Bergen-Belsen transportiert. Die ohnehin schon dramatischen Bedingungen verschlechterten sich noch einmal drastisch: auf sehr engem Raum, ohne Hygienemöglichkeiten und mit lebensbedrohlichem Hunger breiteten sich Krankheiten wie Typhus und Tuberkulose unkontrollierbar aus. Aus der hohen Sterberate wurde ein Massensterben, welchem auch Anne Frank zum Opfer fiel.

Nach der Befreiung im April 1945 durch die Briten hielt das Massensterben trotz aller Bemühungen noch eine Weile an. Zwischen 1943 und 1945 sterben im KZ Bergen-Belsen mindestens 52.000 Menschen, 19.700 weitere sterben zwischen 1940 und 1945 im Kriegsgefangenenlager von Bergen-Belsen. Bis Juli 1950 lebte ein großer Teil der Überlebenden in der benachbarten Kaserne im sogenannten „Displaced Persons Camp“ Bergen-Belsen. Dort entwickelte sich eine Stimmung der Aufarbeitung, sie errichteten Mahnmale, aber organisierten auch Theater und Kino. Bis zur Auflösung des Camps 1950 kamen zudem bis zu zweitausend Kinder zur Welt.
Erst im Jahr 1990 wurde auf dem Gelände die Gedenkstätte Bergen-Belsen in ihrer heutigen Form kuratiert. Obwohl die Briten die Gebäude des ehemaligen KZ vollständig zerstörten, ist die Gedenkstätte trotzdem sehr eindrucksvoll und einen Besuch wert. Übergebliebene Barackenfundamente, eingerichtete Mahnmale und gekennzeichnete Massengräber lassen sich auf dem Außengelände finden. In den Innenräumen gibt es eine Zeitzeugen-fokussierte Dauerausstellung.

Der Ausflug hat uns einen tiefen Einblick in Geschichte des Lagerorts Bergen-Belsen gegeben und uns nachhaltig berührt. Für Lüneburger Studierende kann ein Besuch in der Gedenkstätte und eine Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichte eine Möglichkeit sein, die Erinnerungskultur nachhaltig weiterzuführen. Die Gedenkstätte lässt sich mit Regionalzügen bis Celle und Busverbindungen bis vor die Tür der Gedenkstätte erreichen. Am 05. Mai gibt es zudem eine Gedenkveranstaltung zum 79. Jahrestag der Befreiung. Weitere Infos zur Veranstaltung findet ihr hier.


Quellen:

Gedenkstätte Bergen-Belsen, Geschichte der Gedenkstätte Bergen Belsen: https://bergen-belsen.stiftung-ng.de/de/geschichte/ (Zugriff am 18.04.2024)

Kolb, Eberhard (1985): Bergen-Belsen. Vom „Aufenthaltslager“ zum Konzentrationslager 1943 bis 1945, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.

Foto: Gedenkstätte Bergen-Belsen (c) Karoline Tanck