Seit fast zwölf Jahren vertritt Eckhard Pols (CDU) den Wahlkreis Lüneburg mit Direktmandat im Bundestag. Eine der größten bundespolitischen Herausforderungen bleibt die verheerende Situation geflüchteter Menschen an Europas Außengrenzen. Bei Pols stehen dabei alle Zeichen auf Abschottung.
2020 war ein katastrophales Jahr für geflüchtete Menschen in Europa. Anlässlich der alarmierenden Zustände in den Lagern Kara Tepe (Moria II) auf Lesbos und Lipa in Bosnien hat die UNIVATIV bereits Anfang des Jahres einen Fragenkatalog an den Lüneburger Bundestagsabgeordneten Eckhard Pols (CDU) gesendet. Dieser bleibt selbst nach erneuter Nachfrage bis heute unbeantwortet. Obgleich die aktuelle Migrationspolitik nicht zu Pols Kernthemen zählt, vertritt er auch in dieser Hinsicht den Wahlkreis per Direktmandat. Seine Entscheidungen unterstützen dabei den aktuellen Abschottungskurs der Bundesregierung.
Kein Aufnahme von Lesbos
In den letzten beiden Jahren hat der Bundestag über drei Anträge abgestimmt, welche die direkte Aufnahme geflüchteter Menschen von den Ägäischen Inseln, insbesondere Lesbos, vorgesehen hatten. Alle drei wurden mehrheitlich abgelehnt. Es ist unüblich, entgegen der Koalitionsmehrheit für oppositionelle Anträge zu stimmen. Einige Politiker_innen von CDU und SPD haben es trotzdem getan – oder sich zumindest enthalten. Die Fraktionsdisziplin muss der humanitären Verantwortung nicht zwangsläufig im Wege stehen. Eckhard Pols hat sich bewusst gegen die Aufnahmeversuche gestellt, „weil [sie] einen Alleingang Deutschlands bedeutet hätte[n]“, wie er im September auf abgeordnetenwatch.de erklärt. In einem Weihnachtsappell an die Bundesregierung vom 18. Dezember hatten 246 Bundestagsabgeordnete, darunter auch einige Unionspolitiker_innen, die Bundesregierung erneut zur Aufnahme der auf Lesbos Internierten aufgefordert. Auch hier blieb Pols unbeteiligt.
Dieser wartet weiterhin auf eine europäische Lösung des Problems, auch wenn Deutschland während seiner EU-Ratspräsidentschaft vergangenes Jahr kaum einen Fortschritt erzielen konnte. Selbst die nach dem Dublin-Abkommen in Teilen verpflichtende Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger im September sieht Pols problematisch: „[D]ie Aktion [muss] aus meiner Sicht ein Einzelfall bleiben. […] Deutschland ist weder bereit, die humanitären Probleme allein zu lösen, noch kann über Brandstiftung der Weg nach Mitteleuropa eröffnet werden.“ Dass Deutschland ausnahmsweise rechtlichen Verpflichtungen zur Familienzusammenführung nachkommt und obendrein wenige kranke Kinder und ihre Familien aufnimmt, stellt für den CDU-Politiker also bereits eine Grenzüberschreitung dar. Die subtile Unterstellung, Geflüchtete hätten aus taktischem Kalkül die Brände in Moria gelegt, ist bezeichnend für sein Verständnis der Krisensituation auf Lesbos.
Dass die Aufnahme durchaus möglich wäre, zeigt die Seebrücke-Kampagne „Sichere Häfen“, mit welcher bereits 239 Städte und Kommunen sowie einzelne Bundesländer ihre Bereitschaft bekundet haben. Auch die Stadt Lüneburg hat ihre Unterstützung signalisiert, wenngleich die Hansestadt nach Ratsbeschluss im Februar die Kriterien der Kampagne nur teilweise erfüllt. Diesen Vorstoß sieht Pols mit Verweis auf eine europäische Lösung ebenfalls kritisch, wie er auf abgeordnetenwatch.de erklärt. „Die Bewältigung […] einigen wenigen Ländern zu überlassen, ist unsolidarisch“. Er zieht es daher vor, mittelfristig bis auf Sachleistungen jegliche Hilfe zu unterlassen. Ab wann er den Versuch einer europäischen Lösung als gescheitert ansieht, bleibt – dank der ausbleibenden Antworten auf unsere Fragen – unklar.
Militäreinsätze im Mittelmeer
Neben der Lagerpolitik sorgt auch das Sterben auf dem Mittelmeer immer wieder für Schlagzeilen. Seit 2014 existiert mit der Einstellung der Operation Mare Nostrum kein staatlicher Such- und Rettungseinsatz auf dem Mittelmeer. Seitdem sind laut dem International Office of Migration (IOM) mindestens 18.000 Menschen verstorben. Zivile Seenotrettung wird obendrein seit Jahren großspurig kriminalisiert. Die Parteikolleg_innen Pols haben sich 2019 im Europaparlament dennoch gegen eine Wiedereinführung staatlicher Seenotrettung gestellt. Stattdessen sollen die EU-Mission Irini und der NATO-Einsatz Sea Guardian Abhilfe schaffen – beide mit Stimmen Eckhard Pols durch den Bundestag mandatiert.
Irini soll die Libysche Küstenwache unterstützen, eine von Bürgerkriegsmilizen kontrollierte Organisation, die regelmäßig durch völkerrechtlich illegale Push-Backs flüchtender Menschen auffällt. Ähnliches ist mit dem NATO-Einsatz Sea Guardian möglich, welcher ohne weitere Prüfung die Marine-Ausbildung jeglicher Mittelmeer-Anrainerstaaten durchführen kann. Das schwammige Mandat lässt daher ganz neue Dimensionen europäischer Abschottungspolitik offen. Beide Operationen arbeiten ergänzend zu den Einsätzen der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX. Unter Beteiligung deutscher Bundespolizei ist diese vergangenes Jahr ebenfalls durch illegale Push-Backs auffällig geworden, obwohl sie, wie auch Irini und Sea Guardian, völkerrechtlich zur Seenotrettung verpflichtet ist.
Verfassungswidrige Einschränkungen im Asylrecht
Außenpolitisch setzen Pols und seine Fraktion damit gänzlich auf Abschottung und Abschreckung. Auch im Inland hat sich die Migrationspolitik in den letzten Jahren deutlich verschärft. Anknüpfend an die Asylpakete I und II (2015 und 2016), wurde 2019 das sogenannte „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ verabschiedet. Die Gesetzespakete bedeuteten tiefgreifende rechtliche Einschnitte für geflüchtete Menschen in Deutschland, darunter Leistungskürzungen, längere Lageraufenthalte, rigorosere Abschiebungen und Ausweitung der Abschiebehaft. Dafür wurden einige Länder in Nordafrika und am Balkan zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Die Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz werden mittlerweile von mehreren Gerichten als verfassungswidrig eingestuft. Asylrechtliche Expert_innen und zivilgesellschaftliche Organisationen hatten schon vor der Verabschiedung im Juni 2019 auf die Verfassungsfeindlichkeit hingewiesen, jedoch gab es starke Unsauberkeiten bei der Anhörung der Sachverständigen. Trotzdem haben Eckhard Pols und der Großteil der Koalition, wie auch 2015 und 2016, den Gesetzesänderungen zugestimmt.
Dass er dem regressiven Kurs der CDU folgt und verfassungswidrige Gesetzespakete mitbeschließt, ist nicht außergewöhnlich. Pols aber ist Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten in der CDU/CSU-Fraktion, wodurch zumindest eine thematische Nähe zur Migrationspolitik anzunehmen ist. Diese beschäftigt sich vor allem mit „deutschen Heimatvertriebenen“ aus dem „historischen deutschen Osten“. Eckhard Pols setzte sich daher in einer Bundestagsrede im November letzten Jahres für die Rechte deutschsprachiger Minderheiten in Polen ein. Warum er dieselben Maßstäbe nicht auf andere Geflüchtete und Migrant_innen in Deutschland anwendet, hat er der UNIVATIV nicht beantwortet.
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