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Die Generation der Corona-Studis: vernetzt und vorerst ungeimpft

Seit Herbst letzten Jahres befinden sich mehr als tausend neue Studierende im Onlinestudium und verbringen ihre Tage mehr oder weniger einsam mit Zoom-Konferenzen und Chatprogrammen. Dass uns die pandemiebedingte Isolation alle viel kostet, ist klar, und wie es sich anfühlt, mit brennenden Augen und Rückenschmerzen vorm Rechner zu sitzen und festzustellen, dass man das Haus seit drei Tagen nicht verlassen hat, wissen wir mittlerweile besser, als uns lieb ist.

Doch wie ist das eigentlich für die neuen Studierenden, die den Campus während der Vorlesungszeit noch nie betreten haben? Eine andere Form des Studierens ist den Erstsemestern nicht bekannt, und diese wird es wohl noch eine ganze Weile nicht geben. Der Impfstoff ist eine begrenzte Ressource, und bis endlich auch die Bevölkerungsgruppen durchgeimpft sind, die nicht zu den Risikopatienten gehören, wird es voraussichtlich bis 2022 dauern. Dass Studierende in der Impf-Hierarchie nicht ganz oben stehen, ist nachvollziehbar und richtig, doch wenn es irgendwann soweit ist, dass Veranstaltungen Stück für Stück wieder analog durchgeführt werden können, wird es für die Erstis kein Zurückkehren in einen lang vermissten Uni-Alltag sein, sondern eine komplette 180-Grad-Wende ihres bisherigen Studiums.

Zurzeit ist es normal, sich als Ersti mit niemandem absprechen oder vergleichen zu können; Gruppen haben sich noch nie persönlich getroffen und ob das, was man da tut, auch tatsächlich Hand und Fuß hat, wissen nur die Götter. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und man arrangiert sich schließlich mit allem, doch es bleibt das Gefühl, dass etwas Essentielles hier verloren geht. Was ist mit dem Wissen, welches nicht online vermittelt werden kann? Der Tratsch auf den Fluren und in der Mensa, Geheimtips für den Uni-Alltag, persönlicher Kontakt zu den Dozierenden und Kontakt zu Kommiliton_innen, die sich nicht nur zu Freundschaften, sondern auch zu produktiven Arbeitsgruppen hätten entwickeln können? Dieses Wissen wird der neuen Generation Studierender vorerst vorenthalten bleiben.

Doch nicht alles ist schlecht

Wir alle freuen uns über einen kleineren ökologischen Fußabdruck und die Erkenntnis, wie viel im Leben noch möglich ist, wenn man in den eigenen vier Wänden hockt. Dass die Corona-Pandemie bereits vorher problematische Verhältnisse aufdeckt, hat zweifelsohne nicht nur Nachteile. Endlich wird wieder über Bafög gesprochen und eine dringend nötige Reform – ja, es gibt auch Studierende, die vor der Pandemie schon arm waren, und durch die aktuelle Situation wird das nicht besser. Durch den Andrang neuer Studierender – aktuell gibt es in Deutschland mit fast drei Millionen Neuzugängen so viele wie nie zuvor – zeigt sich außerdem, dass bestehende Infrastrukturen nicht mehr mithalten können, um allen Studierenden gerecht zu werden. Diese Verschärfung der Situation gab nun Anlass zu konkreten Forderungen der 57 Studenten- und Studierendenwerke des DSW: 3,5 Milliarden Euro werden gefordert für einen Hochschulsozialpakt von Bund und Ländern; das Geld soll zum Ausbau dringend benötigter Infrastruktur in Wohnheimen und Mensen genutzt werden, für eine bessere digitale Grundausstattung zur Anpassung an die pandemiebedingte Lage und weitere Bemühungen um Nachhaltigkeit und Klimaneutralität.

Das ist ein Anfang, immerhin. Wie belastend und zermürbend das Onlinestudium mit allen finanziellen Sorgen auch ist – es macht doch auch irgendwo deutlich, wie privilegiert wir doch noch immer sind, so ganz ohne Hunger und Kälte und mit der Möglichkeit, sich auch in der tiefsten Depression noch vor Netflix setzen und sich mit schlechtem Gewissen Junkfood einverleiben zu können. Eine neue Form von Dankbarkeit hat sich eingestellt, und ein besseres Gefühl dafür, was mensch im Leben wirklich braucht. Machen wir was draus.


Foto: Online studieren – (c) stocksnap

Viktoria Steiber

Studiert Kulturwissenschaften und mag Journalismus.

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