Der unabhängige Blick von außen

Mentoring begleitet Absolventen in die Nach-Uni-Zeit.

Es ist das letzte Semester an der Uni. Alle Prüfungen sind absolviert, die Abschlussarbeit in ihrer Endphase und das Zeugnis in Sichtweite. Und dann? Der Übergang vom Studium in die Zeit danach ist für viele Studierende eine schwierige Phase – mit zahlreichen Fragen. Sind meine Ideen realistisch? Welche Qualifikationen fehlen mir für den Traumberuf noch? Da wäre es gut, wenn man jemanden an seiner Seite wüsste, mit dem man sich austauschen könnte.

Eine solche Unterstützung und Beratung auf dem Weg in das Berufsleben muss kein Wunschtraum bleiben. Seit dem vergangenen Jahr bietet die Universität für alle Studierenden aller Studiengänge ein so genanntes Mentoring-Programm an. Für einen begrenzten Zeitraum bekommen Studierende in der Abschlussphase Unterstützung durch einen Mentor an ihrer Seite. Das ist in der Regel jemand, der in dem Berufsfeld, für das man sich interessiert, bereits erfolgreich tätig ist. Im Tandem tauscht man sich aus, bekommt Tipps und Kontakte.

„Wir sind sehr froh, dass wir unser Programm seit April 2007 für alle Studierenden anbieten können“, sagt Anja Thiem. Sie betreut mit einem kleinen Team das Projekt, das den sperrigen Titel „FRA.Mentoring“ trägt. Der deutet auf die Vergangenheit: Vorher gab es Mentoring nur für Frauen im Rahmen verschiedener Förderprogramme. Seine Wurzeln liegen zum einen im Frauen- und Gleichstellungsbüro der ehemaligen Fachhochschule, zum anderen im Bereich Umweltplanung der „alten“ Universität. Statt mit Fördergeldern aus Ministeriumstöpfen wird das Projekt nun für zunächst drei Jahre aus Studiengebühren finanziert.

Wer sich für das Mentoring interessiert, sollte schon wissen, in welche berufliche Richtung es in etwa gehen wird. „Wir sind keine Berufsberatung“, stellt Anja Thiem klar. Die Festlegung auf einen bestimmten Bereich hat ganz praktische Gründe: Schließlich will das Mentoring-Team einen passenden Mentor finden.

Wirtschaft oder Wissenschaft – das ist dabei die Frage, die Interessierte zunächst für sich beantworten müssen. Denn es gibt zwei Mentoring-Programme für Absolventen: Eines richtet sich an diejenigen, die in das Berufsleben wechseln wollen. Das andere ist auf die Bedürfnisse von zukünftigen Nachwuchswissenschaftlern zugeschnitten.

Sind Programm und Richtung definiert, geht es an das Ausfüllen eines umfangreichen Fragebogens, der Grundlage für ein erstes Gespräch mit dem Team vom Mentoring-Programm bildet. Wie sehen die individuellen Ziele aus? Was will man im Mentoring-Prozess erreichen? Mit dem dabei gewonnenen Bild machen sich Anja Thiem und ihre Kolleginnen dann auf die Suche nach dem passenden Mentor. Das ist manchmal gar nicht so einfach: Zwar gibt es inzwischen einen kleinen „Pool“ an Mentoren. Aber die Berufswünsche der Lüneburger Studierenden sind so vielfältig, dass die Suche manchmal zur Herausforderung wird. In der Regel wird die Mühe jedoch belohnt: „Die meisten, die wir anfragen, sind begeistert von unserem Programm und viele sagen zu“, berichtet Thiem.

Die Mentoren sind ehrenamtlich tätig – Geld gibt es für sie nicht. Aber neue Erfahrungen und Einblicke. Und manchmal finden die Mentoren auf diesem Wege auch einen neuen Mitarbeiter. Allerdings: „Die Jobvermittlung steht beim Mentoring nicht im Vordergrund.“ Vielmehr profitiere man vor allem davon, wenn man zu seinem Mentor in keinem Abhängigkeitsverhältnis stehe, so Thiem. „Der unabhängige Blick von außen auf die eigene Biographie, die eigene Qualifikation ist das, was wichtig ist.“
Ergänzend zum Austausch im Tandem, der im Mentoring für Berufseinsteiger auf sechs Monate angelegt ist, bietet „FRA.Mentoring“ ein umfangreiches Begleitprogramm an. Dazu zählen verpflichtende Vorbereitungsworkshops aber auch zusätzliche Angebote zum „Kompetenzausbau“.

Das breite Seminarangebot, dazu der regelmäßige Austausch mit dem Mentor: „Das ist keine Freizeit-Sache“, sagt Anja Thiem. Mentoring sei keine Angelegenheit für „nebenbei“. Wer mitmachen will, muss sich einbringen, motiviert sein, Zeit investieren und Zusagen einhalten. Dafür bekommt er im Idealfall eine Menge zurück.

Derzeit nehmen 71 Studierende bzw. Absolventen am Programm „Vom Studium in den Beruf“ teil. Das Programm für „Wissenschaftliche Qualifizierungswege“ hat 62 Teilnehmer. Das ist schon eine Menge – aber es könnten noch mehr sein, findet Anja Thiem. Nach einem Jahr „Mentoring für alle“ fällt ihr Fazit trotzdem positiv aus: Viele Absolventen blieben mit ihren Mentoren auch nach dem Ende des Programms informell in Kontakt. So entstehen Netzwerke – ein erwünschter Nebeneffekt des Projektes. Und wer weiß, vielleicht ist der Absolvent von heute der Mentor von morgen?

ROL
Information
Hinweise und weiterführendes Material zum Mentoring-Programm finden sich auf der Homepage von „FRA.Mentoring“ unter http://www.leuphana.de/mentoring. Im laufenden Semester wird die nächste Bewerbungsrunde ausgeschrieben, der eigentliche Mentoring-Prozess beginnt dann im Wintersemester.