Das ist bescheuert besteuert!

Menstruationsprodukte sind keine Artikel des täglichen Bedarfs? Jedenfalls nicht, wenn es um den deutschen Mehrwertsteuersatz geht.

Deutschland besteuert Menstruationsprodukte wie Tampons, Binden und Menstruationstassen bisher mit dem regulären Mehrwertsteuersatz von 19%, während für wichtige Artikel des täglichen Bedarfs der ermäßigte Satz von 7% gilt, um Endverbraucher*innen zu entlasten. Viele Bürger*innen wundern sich diese Tage: Warum zählen Artikel wie Lachskaviar und Schnittblumen in Deutschland zu Artikeln des täglichen Bedarfs, während es Menstruationsprodukte der Besteuerung nach zu urteilen nicht tun?

Mit der Kampagne „Die Periode ist kein Luxus – senken Sie die Tamponsteuer!“ kämpfen die Aktivist*innen Nanna-Josephine Roloff & Yasemin Kotra aus Hamburg seit Monaten für die Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Menstruationsprodukte und brechen, wie viele andere, mit dem Tabu in der Öffentlichkeit über Menstruation zu sprechen. Dabei erhalten sie zahlreiche Unterstützung, auch aus Lüneburg. Bereits zum Frauen*kampftag am 8. März organisierten die Student*innen Pauline Kohlhase, Frederike Müller, Paulina Saerbeck, Fritzi Weitzenegger, Karen Busche und Annabelle Müller einen Flashmob mit Kundgebung auf dem Rathausplatz sowie eine Veranstaltung im Mosaique „TamponTax- Bescheuert Besteuert“, um die Petition von Nanna und Yasemin voranzubringen.

(c) Clara Osterburg-Correa

In der vergangenen Woche stand das Thema erneut im Fokus. Am 28. Mai endete die Zeichnungsfrist der offiziellen Petition. 50.000 Unterschriften wurden benötigt, um das Anliegen dem Bundestagsausschuss für Petitionen vorlegen zu können. Auch im Hörsaalgang suchten deshalb die Blutsschwestern erneut Unterstützer*innen und sammelten innerhalb weniger Stunden über 100 neue Unterschriften. Mit Erfolg. Das Quorum wurde rechtzeitig erfüllt und die Steuersenkung wird somit im Regelfall im Bundestag diskutiert werden. Die Debatte über die sogenannte „Tamponsteuer“ ist in Deutschland angekommen.

Die Forderung nach Steuersenkung für Menstruationsartikel ist bei weitem nicht neu oder einzigartig. In Kanada, Indien und Kolumbien wurde die „Tamponsteuer“ bereits komplett abgeschafft, Schottland will Schüler*innen und Student*innen sogar mit freien Hygieneartikeln unterstützen. Und auch die EU hat die Weiche gestellt, die Steuer auf 5% senken zu können.

Diese Entwicklungen zeigen, dass es bei der „Tamponsteuer“ um mehr  als eine simple Forderung nach Steuersenkung gehe. Dem Staat wird vorgeworfen Frauen* durch diese Art der Besteuerung systematisch zu diskriminieren und finanziell zu benachteiligen. Auch wenn die finanzielle Entlastung der Frauen* durch die Maßnahme der Mehrwertsteuersenkung nicht gewährleistet werden kann, bleibt der Vorwurf von institutioneller Diskriminierung von Menstruierenden durch die aktuelle Besteuerung bestehen. Der regelmäßige Kauf von Menstruationsartikeln ist für Frauen* eine unumgängliche Notwendigkeit, die nicht steuerlich benachteiligt werden dürfe, so die Aktivist*innen.

Ebenso ist die Enttabuisierung von Menstruation sowie ein offenerer gesellschaftlicher Umgang mit dem Thema Menstruation und der zugehörigen Hygieneartikel von besonderer Relevanz für die Gesundheit von Frauen*. Frauen* können ihre Gesundheit aufgrund fehlender Aufklärung oder  finanzieller Möglichkeiten durch den falschen Umgang mit Menstruationsartikeln gefährden, weltweit und in Deutschland. Auch hierfür leistet das Engagement der Aktivist*innen, die Petition und die angestoßene öffentliche Debatte einen wertvollen Beitrag.

 


Quellen und weitere Informationen:

Petition von Nanna-Josephine Roloff & Yasemin Kotra, „Die Periode ist kein Luxus – senken Sie die Tamponsteuer!“: https://www.change.org/p/die-periode-ist-kein-luxus-senken-sie-die-tamponsteuer-starkwatzinger-bmfsfj

Petition 91015: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2019/_02/_09/Petition_91015.mitzeichnen.html

Mehr zum Thema: Oscarprämierter Kurzfilm (in ganzer Länge auf Netflix) „Stigma Monatsblutung“ https://www.youtube.com/watch?v=eUnmIzZDYcw